V. AUSBLICKE.

Das mir nun als gelöst erscheinende Problem der Identifizierung der Somapflanze erlaubt es, auch andere, verwandte Themen von einem neuen Blickwinkel aus zu betrachten, wie z.B. folgende:

5. Gab es schon zur Harappazeit einen Honig- oder gar Somakult? -Mahadevan (1985) bejaht die Frage. Wichtigster Beweis ist ihm seine Interpretation eines tausendfach auf Siegeln der Harappakultur angetroffenen Kultobjektes als „Somaseihe“ (Abb. 35),

 

Abb 35: Ein tausendfach auf Siegeln der Harappakultur angetroffenes Kultobjekt.

 

vorher u.a. auch „Weihrauchgefäß“, „Futterkrippe“ oder „Vogelkäfig“ genannt. Dies kann nach der Lösung des Somaproblems jedoch ganz anders gesehen werden, nämlich so:

Abb. 15
Abb. 23
Abb. 24
 
Das Kultobjekt repräsentiert in seinem untersten Teil den Stamm des himmlischen, Honig liefernden Baumes und die nach unten hängende halbkreisförmige Wabe der Felsenbiene mit den sie umschwärmenden Bienen (wie Wabe in Abb. 15 und analog den Abb 23 ,24).

 

Darüber steht das Symbol der Großen Mutter, ein wahrscheinlich aus Weidenruten oder Korbgeflecht hergestellter Bienenkorb, wie ihn in meinen Augen auch die paläolithische „Venus von Willendorf“ trägt (Abb. 36) und wie er als identische Struktur zur historischen Zeit Indiens auf Terrakotten als so noch nicht gesehenes Attribut von Muttergöttinnen wieder erscheint (Abb. 37,38).

Abb 36: Venus von Willendorf  
Abb. 37,38: Indische Terrakotten

 

Es mögen hier nur wenige neue Interpretationen des Sinngehaltes von Funden aus der Industalkultur folgen, denen gemeinsam ist, daß sie für mich einen Zusammenhang von Muttergöttin und Wabe der Felsenbiene oder von Honig liefernder Wabe verraten.

a) Eine vogelgesichtige Göttin hält eine Honigwabe auf dem Schoß und keinen Brotkorb, wie bisher angenommen (Abb. 40, Terrakotta).
  b) Aus einer solchen Wabe im Pipal gehen zwei sogenannte Einhörner hervor (Abb. 41, Siegel), die deshalb „aus dem Honig Geborene“ sind, wie von Vishnu, Indra oder Shiva bekannt.
c) Eine Göttin mit Wabe als sogenanntem Kopfputz und konischem Bergsymbol auf dem Kopf preßt Honigwaben (Abb. 42) und knetet nicht Teig, wie bisher gesehen. Ihre Attribute am Kopf sind die gleichen wie bei Terrakotten, die oft als Wiedergabe der Aditi bezeichnet werden. Ist es die rigvedische Göttin Dhisana, die „Göttin des Kults“ (6,11,3, A.), „die Indra und Agni den Soma auspreßt“ (1,109,4)?
d) Ein überbetonter Buckel des Zebu mit bilateraler Struktur und gut erkennbarer Mittelwand (Abb. 43, Terrakotta) sagt mir, daß man in ihm ein Symbol der Wabe der Felsenbiene sah, wie wahrscheinlich auch in der Wamme von einigen auf Siegeln dargestellten Buckelochsen (Abb. 11).
e) Muttergöttin, die oft mit der rigvedischen Aditi identifiziert wird, mit riesiger halbkreisförmiger Bienenwabe, konischem Symbol des Berges und wahrscheinlich dem Auffangen von Honig oder Soma dienenden Gefäßen zu beiden Seiten des Kopfes (Abb. 44, Terrakotta).
  f) Die „Göttin im Pipal“ trägt Insektenfühler und den Hinterleib eines „Bienenkönigs“ am Kopf (Abb. 45, Siegelausschnitt), keinen Zopf oder „Pferdeschwanz“, wie bisher vermutet. Dies beweist in meinen Augen der menschlich aussehende Teil von Abb. 46 (Siegelausschnitt), denn hier befinden sich am Kopf echte, schlangenförmig gewundene Hörner, wohl rudimentäre Fühler, statt des Bergsymbols das Symbol des himmlischen Baumes und der von der Hüfte ausgehende Hinterleib der Biene, der dem in Abb 45 entspricht.
  g) Nicht wenigeTerrakotten aus der Maurya- bis Guptazeit tragen am oder um den Kopf eine oder mehrere Bienenwaben und keine Rosetten, „stamped discs“ oder Lotusblüten, wie meistens gerätselt wurde. Aus den Waben mit zelliger Struktur kann der Honig über den Körper der Muttergöttin mit Bergsymbol hinabströmen (Abb. 47, Terrakotta) oder es findet sich noch eine sehr große scheibenförmige Wabe auf dem Schoß eines sogenannten tanzenden Mädchens (Abb. 48, Terrakotta), das für mich ein ganzes Gebirge auf dem Kopf trägt, mit den allen Symbolen der Aditi von Abb. 44, jedoch ohne „Körbe“. Mahadevan und ich kommen zum selben Denkergebnis, daß es nämlich zur Zeit der Harappakultur einen Honig, wenn nicht sogar einen Somakult gegeben hat. Er aufgrund einer mir falsch erscheinenden Sicht des fast immer mit dem Einhorn verbundenen Kultgegenstandes, ich durch das jetzt wohl gelöste Problem der Identität der ursprünglichen rigvedischen Somapflanze.

 

 

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