V. AUSBLICKE.
Das mir nun als gelöst erscheinende Problem der Identifizierung der Somapflanze erlaubt es, auch andere, verwandte Themen von einem neuen Blickwinkel aus zu betrachten, wie z.B. folgende:
3. War auch die ursprüngliche Haoma-Pflanze eine Honigwabe? - Es heißt fast immer, daß Haoma- und Somapflanze identisch seien oder sein müßten. Beide wären damit Honigwaben gewesen. Geht das? Zunächst dies: Vögel, (im Gegensatz zu Soma hier Plural), die höher fliegen als der Adler, setzen Haoma auf die Spitzen der Klippen (Yaçna 10,28-30, in Kuhn 1886). „Vögel“ könnten auch hier Individuen des selbst Gebirge überquerenden Schwarms der A. dorsata bedeuten, also „Bienen-Vögel“. Weiter wird gewünscht, daß Haoma in Stämmen, Ästen und Zweigen wachsen möge (Y. 1O,5). Dies bedeutet, wie bei Soma, Wachstum nicht nur auf dem Berg oder Fels sondern auch im Baum oder in Sträuchern und in Tälern. Die Farbe des großen und wohlduftenden Haoma ist zairi-gaoma (goldfarben, analog hari für Soma), was nach Brough (1971) und Gershevitch (1974) aber grün oder gelblich-grün bedeuten müsse, da zairi-gaoma auch Epithet für urvarâ (Pflanzen) ist. Dies stimmt für mich nur dann, wenn die „Haomapflanze“ auch wirklich eine grüne Pflanze war, was sie aber, ähnlich wie die Somapflanze, gar nicht gewesen zu sein braucht. Windfuhr (1985) meint, daß die Haoma- und Somapflanze die Wurzel von Ginseng war. Er verweist jedoch auf zwei Schwierigkeiten für seinen Vorschlag: a) Ginseng ist heute nur auf Ostasien beschränkt und b), die Umstände der Wiedergeburt von Zoroasters fravahr oder „protective spirit“. Hierzu schreibt Boyce (1975:278) dies: Ein haoma-„Stengel“ wurde gebildet „as tall as a man, fresh and very beautiful“. Der fravahr wurde in diesen Stengel gesetzt, aus dem Himmel auf die Erde gebracht und auf einen großen Baum gesetzt, vom künftigen Vater entdeckt, dank himmlischer Gehilfen vom Baum geholt, zuhause gestampft, mit Milch vermischt und vom neuen, irdischen Elternpaar getrunken. Ich meine, daß diese Erinnerung oder „Legende“ an die ursprüngliche Haomapflanze aus vorzoroastrischer Zeit gut zur Bienenwabe der indoarischen Somapflanze paßt. Ein Widerspruch zum „im Felsen“, „auf dem Berg“ oder „im Gebirge“ gewachsenen Soma besteht ja nicht mehr und die selbst den Adler an Flugkünsten übertrumpfenden, und deshalb schon für Kuhn nicht deutbaren „Vögel“, waren wohl der Schwarm oder das Geschwader der Riesenhonigbiene. Es ist mir nun auch klar, warum der „uniquely created bull“ eine Pflanzennatur hatte, denn er war für die damalige Zeit, wie Soma, ein Stier und eine „Planze“. Für den engen Zusammenhang von Soma, der Wabe, und Haoma sprechen auch die folgenden, im Bundahišn aufgeführten Eigenschaften von urvar, der „Pflanze“. Boyce schreibt hierzu: „This was a slender stem, ´moist and milky´, without twigs or bark or thorn,“ was ihrer Meinung nach aber nur ein Gegenstand priesterlicher Spekulation war.