V. AUSBLICKE.

Das mir nun als gelöst erscheinende Problem der Identifizierung der Somapflanze erlaubt es, auch andere, verwandte Themen von einem neuen Blickwinkel aus zu betrachten, wie z.B. folgende:

2. Soma oder die Bienenkolonie als Waffe Indras und Rudras - Tod und Heil liegen nahe beieinander. - Keith (1925:168) meint, daß es Merkmale gibt, die zeigen, daß die Somapflanze sehr mächtig ist und J. Brough (1971:359) hält es für höchstwahrscheinlich, daß man sich nach RV 9,83,5 und 9,86,40 Soma als Indras Waffe vorgestellt hatte. In der Tat, der Berauschendste führt gute Waffen (9,15,8), ist wohlbewaffnet (9,65,5), „mit guten Waffen, berauschendst, süßest“ (RV 9,108,15) und in RV 1,33,13 wird die Keule Indras als scharfer Bulle bezeichnet. Mit der mächtigen Honigwabe der Riesenbiene und ihrer nach Zehntausenden zählenden „lanzenkundigen“ Bevölkerung von Hornissengröße sieht es so aus: Im Gegensatz zum nur rutenförmigen Ephedra-Zweig oder zum mollig-weichen Stiel des Fliegenpilzes ist eine zum Angriff gereizte Kolonie eine Waffe mit bekanntermaßen Furcht einflößenden Dimensionen. Menschen, Wasserbüffel und Elefanten erscheinen in der Literatur als ihre Opfer. A. dorsata wird als „the most ferocious stinging insect in the world“ bezeichnet (Morse & Laigo 1969:22) und drei Stiche von ihr sollen einem Kobrabiß entsprechen. Die Wabe am vielleicht keulenförmig vorgestellten Ast (Abb. 30) oder am Felsen (Abb. 14,16), verbunden mit blitzartigen Attacken der Bienen, sind in meinen Augen ein treffendes Bild für Indras, bzw. Rudras Keule.

Abb. 30
Abb. 14
Abb. 16
 
Abb. 30,14,16: Ein treffendes Bild für Indras, bzw. Rudras Keule

 

Gefürchtet von den damaligen und heutigen Menschen sind Bitten um Verschonung vor dieser Art von Keule nur allzu verständlich. Deshalb darf der „Somastengel“ oder Soma als Indras Keule auch brüllen (RV 1,100,13), donnern (RV 1,52,6) und er darf golden (RV 1,57,2) oder goldgelb (RV 1O,96,3.4.) sein. Rudras Waffen werden später mit Recht „in den Gipfeln hoher Bäume“ gesehen (Taittiriya Samhita 4,5,10,4, nach Dandekar 1953:115). Auf der anderen Seite bringt die Wabe wunderbare Heilmittel, nämlich den praktisch jede Krankheit besiegenden, den das Leben verlängernden und die Unsterblichkeit sichernden Honig. Indras Keule ist tatsächlich der schatzreiche Bulle, der Soma (RV 9,72,7). Die heil- und todbringenden Aspekte von Rudra-Shiva könnten durch die Erfahrung mit Kolonien von A. dorsata ihre Grundlage haben. Es stört mich nun nicht mehr, wenn Indras goldener vájra auch begehrenswert ist oder sogar geliebt wird (RV 1.57,2). Hierzu paßt, daß der Blitz, angeblich Indras Donnerkeil, in Indien nicht göttlich verehrt worden sein soll (Dandekar 1953) und der vájra trotzdem brüllt oder donnert. Eine Kolonie mit tausend (Bienen-)Stacheln gefiele mir besser als die bisherige Keule Indras mit „tausend Zacken“. Vielleicht sind spätere Darstellungen des vájra als Scheibe mit zentraler Öffnung (chakra) nur eine Art Erinnerung an die ursprünglich so gefährliche Waffe Indras, an die die Maruts hervorbringende Yoni, die Tod und Heil in sich vereinigende Bienenwabe, bzw. Bienenkolonie, und an die „Lanzen“ der Maruts (s. V,4).

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